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Barrierefreiheitsgesetz: Der Anwendungszeitpunkt naht

Aktualisiert: 24. Mai

Ab dem 28. Juni 2025 müssen Banken in Österreich zahlreiche Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen. Grundlage dafür ist das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG), mit dem die EU-Richtlinie 2019/882 in nationales Recht umgesetzt wurde.

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Rechtsgrundlage: EU-Richtlinie und nationales Umsetzungsgesetz

Mit dem Barrierefreiheitsgesetz (BaFG, BGBl. Nr. 118/2023) hat Österreich die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/882 (European Accessibility Act) umgesetzt. Ziel der Regelung ist es, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen Leben zu fördern, indem bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestaltet werden. Das BaFG ist am 28. Juli 2023 in Kraft getreten und gilt verbindlich ab dem 28. Juni 2025 für alle neu in Verkehr gebrachten oder bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen im Geltungsbereich.

Anwendungsbereich: Inwiefern sind Banken betroffen?

Das BaFG betrifft auch Banken, da bestimmte Bankprodukte und Bankdienstleistungen ausdrücklich in der EU-Barrierefreiheits-Richtlinie sowie im Barrierefreiheitsgesetz genannt sind. Dazu zählen insbesondere Zahlungsterminals und Geldautomaten, Verbraucherkredite und Wohnimmobilienkredite, Dienstleistungen im elektronischen Zahlungsverkehr sowie Anlageberatung und Portfolioverwaltung für Verbraucher:innen.

Konkret sind betroffen:

  • Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten und POS-Terminals,

  • Verbraucherkredite und Wohnimmobilienkredite,

  • elektronische Zahlungsdienste, z.B. Überweisungen oder Kartenzahlungen,

  • Anlageberatung und Portfolioverwaltung,

  • sowie sämtliche Mobile Apps, Websites und Online-Plattformen, über die diese Leistungen angeboten oder unterstützt werden.

Anforderungen an Dienstleistungen

Für betroffene Dienstleistungen sieht das BaFG konkrete Barrierefreiheitsanforderungen vor. Die zentralen Anforderungen an Bankdienstleistungen sind:

  • Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit:

    Dienstleistungen müssen für Menschen mit Behinderungen in der allgemeinen üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein.

  • Informationsbereitstellung über mehrere Sinne:

    Informationen zur Nutzung der Dienstleistung (z.B. Funktionsweise, Bedingungen, Warnhinweise) müssen über mehr als einen sensorischen Kanal bereitsgestellt werden - etwa schriftlich und zusätzlich als Sprachausgabe. Dies gilt insbesondere für Websites, Apps und andere digitale Kanäle.

  • Barrierefreie Darstellung:

    Texte und Informationen müssen in verständlicher, klar strukturierter und barrierefreier Form bereitgestellt werden. Dazu gehören ausreichend große Schriftarten, hohe Kontraste, anpassbare Abstände sowie die Möglichkeit, Inhalte von Screenreadern erfassen zu lassen.

  • Einfache Sprache:

    Die sprachliche Darstellung darf nicht über dem Niveau B2 (höhere Mittelstufe) liegen, um eine möglichst breite Verständlichkeit sicherzustellen.

  • Barrierefreie digitale Kanäle:

    Websites, mobile Apps und andere digitale Schnittstellen müssen so gestaltet sein, dass sie auch von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen genutzt werden können. Das umfasst Kompatibilität mit Hilfstechnologien wie Screenreadern und die Möglichkeit, Kontraste zu erhöhen oder Schriftgrößen anzupassen.

  • Informationspflichten:

    Banken müssen Informationen über die Konformität ihrer Dienstleistungen mit den Barrierefreiheitsanforderungen in schriftlicher und mündlicher Form - und in barrierefreien Formaten - der Allgemeinheit zugänglich machen. Diese Informationen sind während der gesamten Erbringung der Dienstleistung aufzubewahren.

  • Besondere Anforderungen an Identifizierung und elektronische Signaturen:

    Auch Identifizierungsmethoden und elektronische Signaturen im Rahmen von Bankdienstleistungen müssen robust, wahrnehmbar, verständlich und barrierefrei bedienbar sein.

  • Hilfestellung:

    Sofern verfübar, müssen Kontaktdaten und Hilfestellen (z.B. Helpdesks, Callcenter) ebenfalls barrierefrei bereitgestellt werden.

Diese Anforderungen sind in Anlage 1 des BaFG detailliert geregelt und richtet sich an alle Banken, die Dienstleistungen für Verbraucher anbieten.

Zentral ist die Pflicht zur Erstellung einer Barrierefreiheitserklärung. Diese muss belegen, dass die betroffene Dienstleistung die gesetzlichen Anfordernungen erfüllt. Darüber hinaus sind Informationen über die Funktionsweise der Dienstleistung bereitzustellen, etwa zur Bedienung, zu unterstützten Technologien oder möglichen Einschränkungen. Im Fall von Nichtkonformität sind Prozesse vorzusehen, um Mängel zu erkennen, zu dokumentieren und zu beheben. Anbieter sind verpflichtet, der Marktaufsichtsbehörde auf Verlangen entsprechende Nachweise vorzulegen und bei Prüfungen zu kooperieren.

Anforderungen an Produkte

Auch für Produkte wie Geldautomaten und Zahlungsterminals gelten verbindliche Anforderungen. Diese müssen gemäß BaFG so konzipiert, gestaltet und installiert sein, dass sie von Menschen mit Behinderungen selbständig und sicher genutzt werden können. Das betrifft sowohl die physische Zugänglichkeit als auch die Bedienbarkeit und Informationsverarbeitung.

Selbstbedienungsterminals müssen insbesondere so gestaltet sein, dass sie:

  • über tastbare Bedienelemente verfügen, die auch für blinde oder sehbehinderte Personen identifizierbar sind (z.B. Braille-Kennzeichnung oder fühlbare Symbole),

  • optisch gut lesbar und strukturiert sind, etwa durch ausreichend große Schrift, hohe Kontraste und klare Menüführung,

  • Informationen nicht nur visuell, sondern auch über akustische Signale oder Sprachausgabe zugänglich machen,

  • mit assistiven Technologien kompatibel sind oder deren Einsatz nicht behindern (z.B. durch Anschlussmöglichkeiten für Kopfhörer),

  • ergonomisch installiert sind, also etwa in einer Höhe, die auch für Rollstuhlnutzer:innen erreichbar ist,

  • Authentifizierungsverfahren (z.B. PIN-Eingabe) in barrierefreier Form bereitstellen.

Marktüberwachung

Für die Kontrolle der Einhaltung des BaFG ist die Bundesstelle für Barrierefreiheit im Sozialministeriumservice zuständig. Sie nimmt sowohl die Aufgaben der Marktaufsicht für Dienstleistungen als auch für Produkte wahr. Die Behörde kann Prüfungen durchführen, Unterlagen anfordern, Stichproben veranlassen und Anordnungen zur Mängelbehebung aussprechen. Bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen kann sie die Bereitstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung untersagen.

Strafbestimmungen

Bei Verstößen gegen das BaFG drohen Unternehmen empfindliche Sanktionen. Nach § 15 BaFG können Geldstrafen bis zu 40.000 Euro verhängt werden. Bei wiederholten Verstößen steigt der Höchstbetrag auf 80.000 Euro. Geahndet werden unter anderem das Inverkehrbringen nicht konformer Produkte, das Fehlen oder die Unvollständigkeit einer Barrierefreiheitserklärung sowie die Missachtung behördlicher Anordnungen. Ergänzend können Betroffene zivilrechtliche Schadenersatzansprüche nach dem Behindertengleichstellungsgesetz geltend machen.

Übergangsfristen

Die Barrierefreiheitsanforderungen gelten grundsätzlich ab dem 28. Juni 2025 für alle neu bereitgestellten Bankprodukte (Selbstbedienungsterminals) und Bankdienstleistungen, die unter den Geltungsbereich des BaFG fallen.

Dienstleistungsverträge, die vor dem 28. Juni 2025 abgeschlossen wurden, dürfen bis zu ihrem Ablauf, jedoch höchstens 5 Jahre lang, unverändert fortgeführt werden. Nach Ablauf dieser Frist sind bestehende Verträge entweder barrierefrei ausgzugestalten oder zu beenden.

Für Selbstbedienungsterminals, die vor dem 28. Juni 2025 in Betrieb genommen wurden, gilt eine Übergangsfrist bis längstens 28. Juni 2040 bzw. maximal 20 Jahre nach Inbetriebnahme.

Von der Anwendung der Barrierefreiheitsanforderungen kann nur abgesehen werden, wenn die Umsetzung eine nachweislich unverhältnismäßige Belastung darstellt. In diesem Fall ist eine sorgfältige Dokumentation erforderlich, die der Marktüberwachungsbehörde auf Verlangen vorzulegen ist.

Quelle & Eckdaten

👉 Link zum Dokument

Richtlinie (EU) 2019/882 - European Accessibility Act

👉 Link zum Dokument

Barrierefreiheitsgesetz (BaFG), BGBl. Nr. 118/2023

Status

In Kraft (anwendbar ab 28. Juni 2025)




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