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CRR3: Vom Marktwert zum Property Value bei Immobiliensicherheiten

Aktualisiert: 6. Okt.

Am 19. Juni 2024 wurde die CRR3-Verordnung (EU) 2024/1623 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und trat 20 Tage später in Kraft. Die Verordnung bringt einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Bewertung von Immobiliensicherheiten mit sich: Seit 1. Januar 2025 ist nicht mehr der reine Marktwert (Market Value) maßgeblich, sondern ein vorsichtigerer, nachhaltigkeitsorientierter Immobilienwert, der sogenannte Property Value.

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Paradigmenwechsel: Property Value statt Market Value

Die CRR3 führt mit Art. 1 Abs. 1 Nr. 74a eine neue Definition des Immobilienwerts ein. Der Property Value bezeichnet den Wert einer Wohn- oder Gewerbeimmobilie, der gemäß Art. 229 Abs. 1 CRR ermittelt wird. Dieser Wert muss die langfristige Tragfähigkeit der Finanzierung sicherstellen und darf sich nicht ausschließlich an aktuellen Marktpreisen orientieren.

Das Loan-to-Value-Verhältnis (LTV) muss sich nunmehr am Property Value orientieren. Banken dürfen keine Kredite mehr vergeben, die gemessen am prudentiellen Immobilienwert als übermäßig gelten. Dieser Ansatz soll verhindern, dass Institute sich bei der Kreditvergabe auf möglicherweise überhöhte Marktpreise stützen.

Neue Anforderungen an die Immobilienbewertung

Art. 229 CRR in seiner geänderten Fassung stellt umfassende aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Immobilienbewertung auf:

  • Unabhängigkeit der Gutachter: Die Bewertung muss durch vom Kreditprozess unabhängige Sachverständige erfolgen

  • Vorsichtige Bewertungsannahmen: Zukünftige Preissteigerungserwartungen dürfen nicht in die Bewertung einfließen

  • Transparente Dokumentation: Der Bewertungsprozess muss klar und nachvollziehbar dokumentiert werden

  • Obergrenze Marktwert: Der Property Value darf den feststellbaren Markt wert nicht überschreiten

  • Begrenzung bei Neubewertungen: Bei Neubewertungen darf der Wert nicht mehr als der Durchschnitt der letzten sechs Jahre (Wohnimmobilien) bzw. acht Jahre (Gewerbeimmobilien) oder den Wert zum Zeitpunkt der Kreditvergabe betragen - je nachdem, welcher Wert höher ist

Qualifikation und Dokumentation

Die neuen Vorschriften verschärfen die Anforderungen an Sachverständige erheblich. Banken müssen sicherstellen, dass beauftragte Gutachter über angemessene Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrung verfügen. Die Unabhängigkeit vom Institut muss gewährleistet sein.

Die Dokumenationsanforderungen wurden ebenfalls verschärft. Institute sind verpflichtet, den Gutachtern rechtzeitig eine Mindestliste erforderlicher Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Bewertung sachgerecht durchführen können. Dies dient der Qualitätssicherung und der Nachvollziehbarkeit der Bewertungsergebnisse.

ESG-Faktoren in der Immobilienbewertung

Ein wesentliches Novum der CRR3 ist die Integration von ESG-Aspekten in die Immboilienbewertung. Der Property Value muss Umweltrisiken berücksichtigen, insbesondere:

  • Physische Klimarisiken (z.B. Überschwemmungen, Extremwetter)

  • Tranisitionsrisiken (z.B. Kosten für energetische Sanierung)

  • Energetische und ökologische Eigenschaften der Immobilie

Diese Faktoren können dazu führen, dass der Property Value unter den allgemeinen Marktpreisen liegt, wenn etwa erhebliche Sanierungskosten zur Erreichung von Klimazielen zu erwarten sind oder das Objekt physischen Klimarisiken ausgesetzt ist.

Umsetzungspflichten für Banken

Banken müssen ihr internen Richtlinien grundlegend überarbeiten und sicherstellen, dass:

  • Alle CRR3-Kriterien für die Immobilienbewertung in den internen Policies verankert sind

  • Die beauftragten Gutachter klare Vorgaben und Leitlinien erhalten

  • Eine konsequente Qualitätskontrolle der Gutachten stattfindet

  • Die Unabhängigkeit der Sachverständigen gewährleistet ist

  • ESG-Faktoren systematisch in die Bewertung einfließen

Die Umsetzung beschränkt sich nicht auf bloße Dokumentationsanpassungen. Institute müssen die Einhaltung der neuen Anforderungen in der täglichen Praxis sicherstellen und die Bewertung der beauftragten Gutachter regelmäßig überprüfen.

💡 Hinweis für Banken:

Überprüfen Sie zeitnah Ihre bestehenden Verträge mit Immobiliensachverständigen und stellen Sie sicher, dass diese die neuen CRR3-Anforderungen kennen und umsetzen können. Entwickeln Sie eine Checkliste für die Qualitätskontrolle eingehender Gutachten, die alle in Art. 229 CRR geforderten Elemente abdeckt. Bei der Neukreditvergabe mit Immobiliensicherheiten sollten Sie die ESG-Aspekte systematisch erfassen - dies kann durch standardisierte Fragebögen erfolgen. Beachten Sie, dass der Property Value bei älteren, energetisch ineffizienten Gebäuden deutlich unter dem Marktwert liegen kann, was sich auf Ihre LTV-Quoten auswirkt. Dokumentieren Sie die Anwendung der neuen Bewertungsmethodik sorgfältig, da dies ein Schwerpunkt der aufsichtlichen Prüfungen sein wird.

Quelle / Eckdaten

👉 Link zum Dokument

📅 Veröffentlichung

19. Juni 2024

Art des Dokuments

Verordnung

Herausgeber

Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union

⚖️ Rechtsgrundlage

Art. 4 Abs. 1 Nr. 74a CRR (Definition Property Value), Art. 229 CRR (Bewertungsanforderungen für Immobilien), Art. 208 CRR (Anerkennung von Immobiliensicherheiten)

Adressaten

Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und andere beaufsichtigte Unternehmen in der EU

Status

In Kraft getreten am 9. Juli 2024

📅 Datum Erstanwendung

1. Januar 2025 (für die meisten Bestimmungen)


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