EU-Parlament beschließt deutliche Erleichterungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung
- Erika Leitgeb
- 16. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Das Europäische Parlament hat am 13. November 2025 in Straßburg seine Verhandlungsposition zum sogenannten Omnibus-Paket verabschiedet, das weitreichende Änderungen an der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) vorsieht und den Anwendungsbereich sowie die Anforderung erheblich reduziert.

Drastische Anhebung der Schwellenwerte
Das Parlament schlägt vor, den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich einzuschränken. Künftig sollen nur noch Unternehmen berichtspflichtig sein, die kumulativ beide folgenden Kriterien erfüllen (entspricht einer Reduktion von ca. 92% der Unternehmen, die ursprünglich im Scope waren):
mehr als 1.750 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt
Nettoumsatzerlöse von über 450 Millionen Euro
Diese deutlich angehobenen Schwellenwerte gelten sowohl für die Einzelberichterstattung (Art. 19a CSRD) als auch für die konsolidierte Berichterstattung auf Gruppenebene (Art. 29a CSRD). Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen würden vollständig von der Berichtspflicht ausgenommen.
Befreiung für Finanzholding-Gesellschaften
Mutterunternehmen, die als Finanzholding-Gesellschaften im Sinne von Art. 2 Abs. 15 der Richtlinie 2013/34/EU gelten, sollen von den Berichtspflichten befreit werden, sofern sie nicht operativ tätig sind.
Vereinfachungen bei der Wertschöpfungskettenberichterstattung
Ein zentraler Aspekt der parlamentarischen Änderungen betrifft die Anforderungen an die Berichterstattung über Wertschöpfungsketten:
Begrenzung der Datenanforderungen:
Unternehmen dürfen von Zulieferern, die unterhalb der neuen Schwellenwerte liegen (unter 1.750 Mitarbeiter und unter 450 Mio. Euro Umsatz), nur Informationen anfordern, die in den freiwilligen Berichtsstandards spezifiziert sind
Zusätzliche Informationen dürfen nur angefordert werden, wenn sie im jeweiligen Sektor üblich sind ("commonly shared")
Risikobasierter Ansatz:
Unternehmen sollen einen risikobasierten Ansatz verfolgen und ihre Bemühungen auf die Sammlung von Informationen zu Hochrisikoauswirkungen und branchenüblichen Nachhaltigkeitsthemen priorisieren
Umgang mit unvollständigen Informationen:
Wenn nicht alle notwendigen Informationen über die Wertschöpfungskette verfügbar sind oder diese unvollständig bzw. rechtlichen Beschränkungen unterliegen, können Unternehmen ihre Bemühungen zur Informationsbeschaffung, die Gründe für die Nicht-Verfügbarkeit und ihre Pläne zur künftigen Beschaffung darlegen
Die zeitliche Beschränkung dieser Regelung auf die ersten drei Jahre wurde vom Parlament gestrichen - die Flexibilität gilt dauerhaft
Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Das Parlament stellt ausdrücklich klar, dass die Berichtspflichten nicht die Geheimhaltungspflichten gemäß der Richtlinie (EU) 2016/943 über Geschäftsgeheimnisse beeinträchtigen. Unternehmen müssen keine Informationen zu geistigem Eigentum, Know-how oder technischen Informationen offenlegen, die Geschäftsgeheimnisse darstellen.
Überarbeitung der ESRS-Standards
Die Kommission soll schnellstmöglich, spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie, die ersten Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) grundlegend überarbeiten:
Streichung weniger wichtiger Informationselemente
Priorisierung quantitativer Indikatoren gegenüber beschreibendem Text
Klare Anleitung zur Anwendung des Wesentlichkeitsprinzips
Verbesserung der Kohärenz mit anderen EU-Rechtsakten, insbesondere der Finanzmarktgesetzgebung
Sicherstellung größtmöglicher Interoperatibilität mit globalen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards
Freiwillige Berichtsstandards für kleinere Unternehmen
Die Kommission soll binnen vier Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie freiwillige Berichtsstandards für Unternehmen verabschieden, die nicht unter die Berichtspflicht fallen. Diese Standards sollen:
Auf der Empfehlung C(2025) 4984 der Kommission basieren
Proportional zur Unternehmensgröße sein
Eine modulare Struktur aufweisen, die Flexibilität und schrittweise Berichterstattung ermöglicht
Vereinfachte Sprache verwenden
Dem Grundsatz "Think Small First" entsprechen
Bis zur Verabschiedung dieser Standards können Unternehmen freiwillig nach der Empfehlung 2025/4984 berichten, die auf dem ESRS für KMU des EFRAG basiert.
Sektorspezifische Leitlinien statt verbindlicher Standards
Das Parlament schlägt vor, die ursprünglich geplanten verpflichtenden sektorspezifischen Berichtsstadarnds zu streichen. Stattdessen soll die Kommission nach Konsultation der relevanten Stakeholder freiwillige sektorspezifische Leitlinien veröffentlichen, die Unternehmen und Prüfer bei der RIsikobeurteilung und Wesentlichkeitsanalyse unterstützen.
Erleichterungen bei der digitalen Berichterstattung und Prüfung
ESEF-Tagging:
Bis zur Verabschiedung delegierter Rechtsakte durch die Kommission müssen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht im ESEF-Format markieren
Die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung kann auf die Veröffentlichung im einheitlichen elektronischen Format beschränkt werden (Mitgliedstaaten können dies vorsehen)
Prüfungsstandards:
Die Kommission muss bis spätestens 1. Oktober 2026 delegierte Rechtsakte zu den Prüfungsstandards für Limited Assurance verabschieden
Diese Standards müssen auf der Stellungnahme des EFRAG basieren
Anpassung der Übergangsfristen
Die Anwendungszeitpunkte werden an die neuen Schwellenwerte angepasst:
Unternehmen, die die neuen Schwellenwerte (1.750 Mitrabeiter und 450 Mio. Euro Umsatz) erfüllen, fallen unter die entsprechenden Übergangsfristen
Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen werden vollständig ausgenommen
Nächste Schritte
Die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Ministerrat starten am 18. November 2025, ein Abschluss wird bis Jahresende angestrebt.
💡 Hinweis für Institute:
Die drastische Anhebung der Schwellenwerte bedeutet, dass die meisten kleineren und mittleren Banken nicht mehr direkt berichtspflichtig sein werden. Dennoch sollten Sie sich auf mögliche Datenanforderungen von größeren Geschäftspartnern vorbereiten, allerdings nur im Rahmen der freiwilligen Berichtsstandards. Die Kommission wird diese Standards binnen vier Monaten nach Inkrafttreten verabschieden - diese können eine nützliche Orientierung für eine strukturierte, aber proportionale Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten. Wichtig: Die hier dargestellte Position des Parlaments ist noch nicht endgültig. Im nun folgenden Triolg-Verfahren zwischen Parlament, Rat und Kommission kann sich die finale Fassung noch ändern. Es empfiehlt sich daher, die Entwicklungen aufmerskam zu verfolgen.
Quelle / Eckdaten
👉 Link zum Dokument | |
📅 Veröffentlichung | 13. November 2025 |
Art des Dokuments | Änderungsanträge des Europäischen Parlaments (Parlamentarische Verhandlungsposition) |
Herausgeber | Europäische Parlament |
⚖️ Rechtsgrundlage | Änderungen der Richtlinien 2006/43/EG (Abschlussprüfung), 2013/34/EU (Rechnungslegung), (EU) 2022/2464 (CSRD) |
Adressaten | Große Unternehmen und Finanzinstitute in der EU |
✅ Status | Verhandlungsposition des Parlaments (1. Lesung), Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission stehen noch aus |
📅 Datum Erstanwendung | Nach Verabschiedung der finalen Richtlinie und Umsetzung durch die Mitgliedstaaten; gestaffelte Anwendung ja nach Unternehmensgröße |



