Unabhängigkeit der Bankenaufsicht: Neue EBA-Leitlinien
- Erika Leitgeb
- 14. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat am 12. November 2025 ein Konsultationspapier zu Leitlinien über die Unabhängigkeit der zuständigen Aufsichtsbehörden veröffentlicht. Die Leitlinien konkretisieren die Anforderungen des neu eingeführten Artikels 4a der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) und zielen darauf ab, Interessenkonflikte zu verhindern und die Unabhängigkeit der Bankenaufsicht in der gesamten EU zu harmonisieren.

Hintergrund und Zielsetzung der Leitlinien
Die Richtlinie (EU) 2024/1619 hat die CRD umfassend geändert und dabei erstmals einen eigenen Artikel zur Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden eingeführt. Artikel 4a CRD enthält neue Anforderungen an die operative und personelle Unabhängigkeit der zuständigen Behörden sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten.
Die EBA wurde ausdrücklich beauftragt, Leitlinien zur Sicherstellung einer verhältnismäßigen Anwendung dieser Vorschriften zu entwickeln. Dabei sollen internationale Best Practices berücksichtigt werden, einschließlich der gemeinsamen Kriterien der europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zur Unabhängigkeit vom 25. Oktober 2023.
Risiken für die Unabhängigkeit der Aufsicht gefährden nicht nur die Solidität der Bankenaufsicht, sondern auch eine gute Governance. Die Leitlinien sollen daher klarstellen, welche konkreten Vorkehrungen die Aufsichtsbehörden zur Prävention und Handhabung von Interessenkonflikten treffen sollten.
Anwendungsbereich und betroffene Personen
Die Leitlinien gelten für alle zuständigen Behörden im Rahmen der Bankenaufsicht nach der CRD. Dabei werden folgende Personengruppen erfasst:
Mitarbeiter: Alle Personen mit einem Arbeitsverhältnis zur Aufsichtsbehörde, die direkt in die Aufsichtsfunktion oder entsprechende Entscheidungsprozesse eingebunden sind, einschließlich Mitarbeiter in horizontalen oder übergreifenden Funktionen
Governance-Mitglieder: Mitglieder des obersten Entscheidungsorgans der Aufsichtsbehörde mit exekutiven Aufgaben
Entsandte Mitarbeiter: Auch zweitweise zur Aufsichtsbehörde entsandte Personen sollten durch entsprechende Vereinbarungen einbezogen werden
Die Behörden können den Anwendungsbereich auf externe Auftragnehmer ausdehnen, die Aufsichtsaufgaben wahrnehmen.
Ernennung und Amtsdauer von Governance-Mitgliedern
Transparente Ernennungsverfahren
Soweit Aufsichtsbehörden für die Ernennung ihrer Governance-Mitglieder verantwortlich sind oder daran mitwirken, müssen sie:
Den Ernennungsprozess, die Kriterien und das Ergebnis öffentlich machen
Informationen über das Profil der ernannten Kandidaten veröffentlichen
Sicherstellen, dass Ernennungen auf Grundlage objektiver und diskriminierungsfreier Grundsätze erfolgen
Amtszeitbegrenzung von 14 Jahren
Die Leitlinien präzisieren die in Artikel 4a Absatz 2 CRD eingeführte 14-Jahres-Grenze für Governance-Mitglieder. Diese Frist umfasst:
<alle Zeiträume (außer jenen vor dem 11. Januar 2026) als Mitglied des Governance-Organs, ob aufeinanderfolgend oder nicht und unabhängig von der konkreten Position
Auch Zeiten außerhalb der aktiven Beschäftigung wie Elternzeit, Krankheitsurlaub oder unbezahlter Urlaub
Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
Definition von Interessenkonflikten
Die Leitlinien definieren Interessenkonflikte umfassend als Situationen, in denen ein Mitarbeiter oder Governance-Mitglied ein direktes oder indirektes persönliches Interesse hat, das die unparteiische und objektive Wahrnehmung seiner Aufgaben beeinflusst oder beeinflussen könnte. Dies schließt auch wahrgenommene Interessenkonflikte ein, selbst wenn ein Konflikt faktisch nicht eintritt.
Ein persönliches Interesse umfasst jeden finanziellen oder nicht-finanziellen Vorteil für die betroffene Person selbst oder deren enge Familienangehörige (Ehegatte, eingetragener Partner, Kinder, Eltern).
Interessenerklärungen: Vor Einstellung, jährlich und ad-hoc
Die Leitlinien harmonisieren die Anforderungen an Interessenerklärungen:
Vor der Einstellung müssen potenzielle Mitarbeiter und Governance-Mitglieder Informationen über ihre Beteiligungen an beaufsichtigten Instituten sowie deren Mutter-, Tochter- und verbundenen Unternehmen offenlegen.
Jährliche Erklärungen umfassen dieselben Informationen über aktuelle Beteiligungen. Die Behörden können zusätzlich Angaben zu anderen potenziellen Interessenkonflikten verlangen, etwa zu kürzlichen Positionen in beaufsichtigten Instituten oder Lobbying-Organisationen.
Ad-hoc-Erklärungen sind bei jedem Erwerb oder jeder Veräußerung relevanter Beteiligungen zwischen den regulären Erklärungen erforderlich.
Die zuständigen Behörden müssen diese Erklärungen bewerten und prüfen, ob die offengelegten Interessen mit den Aufgaben der betroffenen Person vereinbar sind.
Verkauf konfliktbehafteter Finanzinstrumente
Wenn eine Aufsichtsbehörde von einem Mitarbeiter oder Governance-Mitglied verlangt, Finanzinstrumente zu verkaufen oder zu veräußern, die zu Interessenkonflikten führen können:
Muss die Person diese Instrumente innerhalb einer von der Behörde festgelegten angemessenen Frist verkaufen
Sollte der Verkauf bei neuen Mitarbeitern möglichst vor Amtsantritt erfolgen
Sind die Anforderungen an Instrumente aus variablen Vergütungen gemäß Artikel 94 CRD zu berücksichtigen
Bedarf der Verkauf der vorherigen Genehmigung durch die Ethik-, Compliance- oder gleichwertige Funktion der Behörde
Handelsverbote für Finanzinstrumente
Die Leitlinien konkretisieren das Verbot des Handelns mit bestimmten Finanzinstrumenten:
Verbotene Geschäfte: Mitarbeiter und Governance-Mitglieder dürfen nicht mit Finanzinstrumenten handeln, die von beaufsichtigten Instituten oder deren Konzernangehörigen ausgegeben werden oder sich darauf beziehen. Sie dürfen solche Geschäfte auch nicht empfehlen oder andere dazu veranlassen.
Definition von "verbundenen Unternehmen": Die Leitlinien präzisieren, dass hierunter mindestens folgende Kategorien fallen:
In die konsolidierten Abschlüsse einbezogene Unternehmen
In die konsolidierte Aufsicht einbezogene Unternehmen derselben Aufsichtsgruppe
Mitglieder desselben institutsbezogenen Sicherungssystems gemäß Artikel 113 Abs. 7 CRR
Dauerhaft einer zentralen Stelle gemäß Artikel 10 CRR angeschlossene Institute
Ausnahmen: Erlaubt bleiben Anlagen in breit diversifizierte Investmentfonds und die unabhängige Vermögensverwaltung auf Basis eines schriftlichen Vertrags.
Karenzzeiten (Cooling-off Periods)
Ein zentraler Aspekt der Leitlinien sind detaillierte Regelungen zu Karenzzeiten nach Beendigung der Tätigkeit bei einer Aufsichtsbehörde.
Betroffene Tätigkeiten
Karenzzeiten gelten für den Wechsel zu:
Beaufsichtigten Instituten und deren Konzernunternehmen
Dienstleistungsanbietern für diese Institute (einschließlich Rechts-, Buchhaltungs- oder Beratungsdiensten)
Organisationen, die Lobbying- oder Advocacy-Aktivitäten gegenüber der Aufsichtsbehörde ausüben
Definition von Lobbying: Die Leitlinien definieren Lobbying umfassend als jede professionelle Tätigkeit mit dem Ziel, die Entscheidungsprozesse der Aufsichtsbehörde direkt oder indirekt zu beeinflussen. Endsendungen an nationale Ministerien, andere öffentliche Stellen oder EU-Institutionen gelten nicht als Lobbying.
Meldeverfahren
Die Aufsichtsbehörden müssen Verfahren einhalten, die Mitarbeiter und Governance-Mitglieder verpflichten, ihre Absicht mitzuteilen, eine Stelle bei relevanten Organisationen anzunehmen. Die Meldung sollte spätestens erfolgen, wenn ein Angebot vorliegt, jedoch vor dessen Annahme.
Während der Prüfung einer solchen Meldung sollten die Behörden den Zugang der betroffenen Person zu vertraulichen Informationen entfernen oder einschränken und sie von relevanten Entscheidungsprozessen ausschließen.
Bewertungskriterien für die Länge der Karenzzeit
Artikel 4a CRD legt Mindestkarenzzeiten fest (12 Monate für die meisten Fälle, 24 Monate für hochrangige Positionen). Wo nationale Rechtsvorschriften längere Karenzzeiten ermöglichen und die Behörden für deren Festlegung zuständig sind, sollten sie folgende Kriterien berücksichtigen:
Dienstalter und hierarchische Stellung der Person
Ausgeübte Entscheidungsfunktionen
Art der Tätigkeit und Zugang zu vertraulichen Informationen
Grad der Beteiligung an der direkten Aufsicht über das betreffende Institut
Mitwirkung an Politikaktivitäten
Erwartete Seniorität in der neuen Position
Bedeutung der einstellenden Organisation für Finanzmarktpraktiken
Bisherige berufliche Kontakte zum betreffenden Institut
Rekrutierungsverfahren (offenes, wettbewerbliches Verfahren)
Andere Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten
Die Behörden sollten auch prüfen, ob die Karenzzeit ganz oder teilweise während der weiteren Beschäftigung bei der Aufsichtsbehörde (bei Wegfall sensibler Aufgaben), als Entsendung an eine andere öffentliche Stelle oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbüßt werden kann.
Verstöße und Abhilfemaßnahmen
Die Aufsichtsbehörden müssen sicherstellen, dass potenzielle Verstöße gegen die Regeln zu Interessenkonflikten umgehend behandelt werden. Die Maßnahmen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und gegebenenfalls Disziplinarmaßnahmen umfassen.
Weitere Maßnahmen können die Suspendierung des Zugangs zu vertraulichen Informationen oder die Zuweisung anderer Aufgaben sein.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Die Leitlinien wurden unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entwickelt. Alle Aufsichtsbehörden sind zwar Risiken von Interessenkonflikten ausgesetzt, jedoch können verschiedene Behörden unterschiedlichen Risikoniveaus unterliegen - abhängig von ihrer internen Struktur und dem Umfang ihrer Tätigkeiten und Befugnisse.
Die Leitlinien erkennen an, dass Behörden je nach rechtlichem Rahmen und interner Struktur weniger komplexe oder anspruchsvolle Vorkehrungen treffen können, sofern dadurch ihre Fähigkeit zum umsichtigen Umgang mit Interessenkonflikten nicht gefährdet wird.
Beispiele für Flexibilität:
Behörden können die Leitlinien auf externe Auftragnehmer ausdehnen
Behörden können auf bestimmte Informationen in Interessenerklärungen verzichten
Behörden können zusätzliche Offenlegungen über die Mindestanforderungen hinaus verlangen
Zeitplan und nächste Schritte
Die Konsultation läuft bis zum 23. Januar 2026. Nach Auswertung der Rückmeldungen wird die EBA die Leitlinien finalisieren. Die Anwendung soll zwei Monate nach Veröffentlichung in allen EU-Amtssprachen auf der EBA-Website beginnen.
Quelle / Eckdaten
👉 Link zum Dokument | |
📅 Veröffentlichung | 12. November 2025 |
Art des Dokuments | Konsultationspapier |
Herausgeber | Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) |
⚖️ Rechtsgrundlage | Artikel 4a Absatz 9 der Richtlinie 2013/36/EU (CRD); Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (EBA-Verordnung) |
Adressaten | Zuständige Behörden gemäß Artikel 4 Abs. 2 i) der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 |
✅ Status | Konsultationspapier (öffentliche Konsultation bis 23. Januar 2026) |
📅 Datum Erstanwendung | Zwei Monate nach Veröffentlichung der finalen Leitlinien in allen EU-Amtssprachen auf der EBA-Website (voraussichtlich Mitte 2026) |



