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ESMA Sanktionsbericht 2024: 970+ Sanktionen und 100 Mio. EUR Geldstrafen

Am 16. Oktober 2025 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ihren zweiten konsolidierten Bericht über Sanktionen und aufsichtsrechtliche Maßnahmen veröffentlicht, die von nationalen Behörden im Jahr 2024 verhängt wurden.

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Wichtigste Erkenntnisse im Überblick

Der ESMA-Bericht zeigt eine stabile aber intensivierte Aufsichtstätigkeit in den EU-Mitgliedstaaten. Im Vergleich zu 2023 blieb die Anzahl der verhängten Maßnahmen nahezu unverändert, während die Gesamthöhe der Geldstrafen deutlich anstieg. Dies deutet auf eine strengere Durchsetzung bei schwerwiegenden Verstößen hin.

Zentrale Zahlen für 2024:

  • Über 970 administrative Sanktionen und Maßnahmen in 29 EWR-Mitgliedstaaten

  • Gesamtwert der Geldstrafen: über 100 Millionen Euro (2023: 71 Millionen Euro)

  • Über 60 Prozent aller Maßnahmen waren Geldbußen

  • 10 Prozent der Sanktionen wurden über Vergleichsverfahren verhängt

  • Vergleichsverfahren beliefen sich auch über 20 Millionen Euro

Verteilung nach Rechtsgrundlagen

Die meisten Sanktionen wurden unter der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und der Finanzmarktrichtlinie (MiFID II/MiFIR) verhängt. Diese beiden Rechtsbereiche stehen traditionell im Fokus der Aufsichtsbehörden, da sie zentrale Marktintegritäts- und Anlegerschutzfragen betreffen.

Anzahl der Maßnahmen:

  • MAR: 377 administrative Sanktionen

  • MiFID II/MiFIR: 294 Sanktionen

  • AIFMD: 209 Maßnahmen

  • OGAW-Richtlinie: 47 Sanktionen

Höhe der Geldstrafen:

  • MAR: 45,5 Millionen Euro

  • MiFID II/MiFIR: 44,5 Millionen Euro

  • AIFMD: 5,5 Millionen Euro

  • OGAW-Richtlinie: 3,3 Millionen Euro

Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten

Der Bericht zeigt erhebliche Unterschiede in der Nutzung von Sanktionsbefugnissen zwischen den Mitgliedstaaten. Diese Diskrepanzen betreffen sowohl die Anzahl als auch die Art der Maßnahmen sowie die Höhe der verhängten Geldstrafen.

Höchste Geldstrafen:

  • Frankreich: 29,4 Millionen Euro (davon 20,7 Millionen Euro unter MAR)

  • Deutschland: 16 Millionen Euro (hauptsächlich über Vergleichsverfahren)

  • Deutschland verhängte die höchste Einzelstrafe 2024: 12,975 Millionen Euro über ein Vergleichsverfahren wegen Verstößen gegen MiFID II

Anzahl der Maßnahmen:

  • Ungarn: 182 Sanktionen (höchste Anzahl)

  • Griechenland: 93 Maßnahmen

  • Italien: 84 Sanktionen

Art der verhängten Sanktionen

Die ESMA-Daten zeigen, dass Geldbußen das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Sanktionsinstrument sind. Andere Maßnahmen wie Unterlassungsanordnungen oder temporäre Verbote werden deutlich seltener genutzt.

Verteilung der Sanktionsarten:

  • Administrative Geldbußen: 63 Prozent aller Maßnahmen

  • Unterlassungsanordnungen: 10 Prozent

  • Sonstige Aufsichtsmaßnahmen: 16 Prozent

  • Öffentliche Erklärungen: 2 Prozent

  • Dauerhafte Verbote: 2 Prozent (nur unter MAR)

Interessant ist, dass Suspendierungen von Zulassungen 2024 überhaupt nicht genutzt wurden, während Widerrufe von Zulassungen nur 26 Mal (3 Prozent) verhängt wurden.

Vergleichsverfahren gewinnen an Bedeutung

Ein bedeutender Trend ist die zunehmende Nutzung von Vergleichsverfahren. Etwa 10 Prozent aller Sanktionen wurden 2024 über solche Verfahren verhängt, wobei diese 22 Prozent des Gesamtwertes aller Geldstrafen ausmachten.

Die höchsten Beträge über Vergleichsverfahren wurden unter MiFID II/MiFIR verhängt (15,4 Millionen Euro, was 70 Prozent aller Vergleiche entspricht). Deutschland führte mit 13,8 Millionen Euro über Vergleiche. Unter MAR wurden 4,2 Millionen Euro über Vergleichsverfahren verhängt, wobei Irland die höchste Einzelvereinbarung (1,225 Millionen Euro) abschloss.

Allerdings haben nicht alle nationalen Behörden die Befugnis, Vergleichsverfahren durchzuführen. 2024 nutzten nur 10 Behörden diese Option.

Spezifische Rechtsbereiche im Detail

Marktmissbrauchsverordnung (MAR): Die meisten Verstöße betrafen Insider-Handel und rechtswidrige Offenlegung von Insiderinformationen (Artikel 14), Marktmanipulation (Artikel 15), öffentliche Offenlegung von Insiderinformationen (Artikel 17) und Meldepflichten für Führungskräfte (Artikel 19). In Frankreich wurden 19,12 Millionen Euro allein für Marktmanipulation verhängt, was etwa 65 Prozent aller französischen Geldstrafen 2024 entspricht.

MiFID II/MiFIR: Die meisten Sanktionen betrafen organisatorische Anforderungen (Artikel 16) und allgemeine Grundsätze sowie Informationspflichten gegenüber Kunden (Artikel 24). Die höchste Einzelstrafe Deutschlands betraf Kontrollen im algorithmischen Handel (Artikel 17).

AIFMD: Die häufigsten Verstöße betrafen die Verpflichtung für Manager alternativer Investmentfonds, über Ressourcen und Verfahren für die ordnungsgemäße Geschäftsführung zu verfügen (Artikel 12), Berichtspflichten (Artikel 24), Risikomanagement-Systeme (Artikel 15) und Jahresberichte für Anleger (Artikel 22).

Entwicklung im Vergleich zu 2023

Die Gesamtzahl der Sanktionen blieb nahezu identisch (976 in 2023, 975 in 2024), was auf eine stabile Durchsetzungspraxis hindeutet. Der deutliche Anstieg bei den Geldstrafen (von 71 auf 100 Millionen Euro) zeigt jedoch eine härtere Gangart bei der Sanktionierung.

Bemerkenswert ist der Anstieg der MAR-Sanktionen von 299 auf 377, während die Anzahl unter der OGAW-Richtlinie deutlich zurückging (von 71 auf 47). Bei MiFID II/MiFIR und AIFMD bleiben die Zahlen relativ stabil.

Neue Regelungsbereiche und fehlende Aktivität

Keine Sanktionen unter MiCA und SFTR: 2024 wurden keine administrativen Sanktionen unter der Krypto-Asset-Verordnung (MiCA) oder der Wertpapierfinanzierungstransaktions-Verordnung (SFTR) verhängt. Bei MiCA ist dies der erst kürzlich erfolgten Anwendbarkeit geschuldet. Die Berichtsfrist für die Implementierung der Sanktionsbestimmungen unter MiCA wurde auf den 30. Juni 2025 verschoben.

Erste Maßnahme unter ECSPR: 2024 war das erste Jahr, in dem eine Maßnahme unter der Verordnung über europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister verhängt wurde.

Konvergenz und verbleibende Diskrepanzen

Die ESMA betont, dass die Verwendung von Sanktionen nur eines von mehreren Aufsichtsinstrumenten ist und die Wirksamkeit der Aufsicht nicht ausschließlich an der Anzahl oder Höhe der Sanktionen gemessen werden kann. Nationale Behörden nutzen auch informelle Instrumente wie Warnschreiben, die nicht in diesem Bericht erfasst sind.

Dennoch zeigt der Bericht deutliche Diskrepanzen zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf:

  • Anzahl und Höhe der Sanktionen

  • Art der verwendeten Maßnahmen

  • Nutzung von Vergleichsverfahren

  • Intensität der Durchsetzung

Obwohl in fast allen Mitgliedstaaten Sanktionen verhängt wurden, was auf eine Mindestkonvergenz hindeutet, gibt es weiterhin Raum für eine verstärkte Harmonisierung der Durchsetzungspraktiken. Dies ist besonders wichtig für die weitere Integration der EU-Finanzmärkte.

Kriminelle Sanktionen

Neben administrativen Maßnahmen wurden 2024 auch kriminelle Sanktionen verhängt. Insgesamt wurden kriminelle Geldstrafen in Höhe von 72,4 Millionen Euro verhängt, hauptsächlich in Deutschland (71,4 Millionen Euro), Dänemark, Italien, den Niederlanden, Polen, Finnland und Schweden.

Unter MAR wurden 66 kriminelle Sanktionen verhängt, unter MiFID II/MiFIR 35 Sanktionen. Die meisten Mitgliedstaaten haben sich jedoch für administrative Sanktionssysteme entschieden.

💡 Praktische Hinweise:

Der ESMA-Bericht zeigt, dass auch kleinere Verstöße konsequent geahndet werden. Institute sollten ihre Compliance-Systeme regelmäßig überprüfen, insbesondere in den Bereichen Marktmissbrauch, Anlegerschutz und organisatorische Anforderungen. Die zunehmende Nutzung von Vergleichsverfahren kann bei kooperativem Verhalten zu geringeren Sanktionen führen. Besondere Aufmerksamkeit sollte den am häufigsten sanktionierten Bereichen gelten: öffentliche Offenlegung von Insiderinformationen, Marktmanipulation, organisatorische Anforderungen und Kundeninformation. Die Implementierung robuster interner Kontrollsysteme, regelmäßige Schulungen und eine proaktive Compliance-Kultur sind essentiell, um Sanktionen zu vermeiden.

Quelle / Eckdaten

👉 Link zum Dokument

📅 Veröffentlichung

16. Oktober 2025

Herausgeber

Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA)

⚖️ Rechtsgrundlage

AIFMD, BMR, CSDR, ECSPR, EMIR, MAR, MiCA, MiFID II, PR, SFTR, OGAW-Richtlinie

Adressaten

Nationale Aufsichtsbehörden, Marktteilnehmer, Öffentlichkeit

Status

Endgültiger Bericht

📅 Berichtszeitraum

1. Januar 2024 - 31. Dezember 2024


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