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EuGH präzisiert Anforderungen an die "rechtzeitige" Meldung nicht autorisierter Zahlungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 1. August 2025 in einem wegweisenden Urteil (Rs. C-665/23) die Auslegung der Meldefrist für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge nach der Payment Services Directive I konkretisiert. Die Entscheidung bringt wichtige Klarstellungen für Banken bei der Bearbeitung von Rückerstattungsanträgen ihrer Kunden.

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Ausgangslage: Streitfall um verspätete Meldung

Der Fall betraf einen französische Verbraucher, der gegen einen Zahlungsdienstleister klagte, um die Rückerstattung von Geldabhebungen zu erhalten, die ohne seine Autorisierung mit einer Zahlungskarte vorgenommen worden waren. Die Karte war ihm zugesandt worden, er behauptete jedoch, sie nie erhalten zu haben.

Das Besondere am Fall: Der Kunde hatte den Zahlungsdienstleister erst zwei Monate nach der ersten streitigen Abhebung informiert. Sowohl das erst- als auch das zweitinstanzliche Gericht wiesen die Klage teilweise ab, da die Meldung als verspätet eingestuft wurde.

Kernaussagen des EuGH zur Meldefrist

Grundregel der "unverzüglichen" Meldung

Der EuGH stellte klar, dass Artikel 48 der Payment Services Directive I eine strikte Regel aufstellt:

  • Kunden verlieren grundsätzlich das Recht auf Korrektur einer nicht autorisierten Zahlung

  • Dies gilt, wenn sie den Zahlungsdienstleister nicht "unverzüglich" informieren

  • Die 13-Monats-Frist allein reicht nicht aus, wenn die unverzügliche Meldung versäumt wird

Ausnahme bei verlorenen oder gestohlenen Zahlungsinstrumenten

Für nicht autorisierte Zahlungen durch verlorene, gestohlene oder unrechtmäßig angeeignete Zahlungsinstrumente gelten mildere Regeln:

  • Der Kunde verliert sein Recht auf Rückerstattung nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verzögerung

  • Die Verzögerung muss eine "qualifizierte Verletzung einer Sorgfaltspflicht" darstellen

  • Betrugshandlungen des Kunden bleiben ausgeschlossen

Regelung bei mehreren aufeinanderfolgenden Zahlungen

Bei einer Serie nicht autorisierter Zahlungsvorgänge mit demselben kompromittierten Zahlungsinstrument differenziert der EuGH:

  • Teilweise verspätete Meldung: Verlust des Rückerstattungsanspruchs nur für die Zahlungen, bei denen vorsätzlich oder grob fahrlässig zu späte gemeldet wurde

  • Individuelle Betrachtung: Jede einzelne Zahlung wird separat bewertet

  • Proportionalität: Der Verlust des Rückerstattungsanspruchs beschränkt sich auf die konkret betroffenen Transaktionen

Praktische Auswirkungen für Banken

Diese Rechtsprechung hat unmittelbare Folgen für die tägliche Praxis von Kreditinstituten:

Differenzierte Prüfung erforderlich: Banken müssen zwischen verschiedenen Arten nicht autorisierter Zahlungen unterscheiden und die jeweiligen Meldefristen sowie Verschuldensgrade individuell bewerten.

Dokumentationspflicht verstärkt: Die genaue Dokumentation von Kundenmeldungen und deren Zeitpunkt wird noch wichtiger, da die Beweislast für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verzögerungen präzise geführt werden muss.

Kundenaufklärung anpassen: Die Kommunikation mit Kunden über Meldefristen muss die unterschiedlichen Anforderungen je nach Art der nicht autorisierten Zahlung berücksichtigen.

💡 Hinweis für kleine Institute:

Entwickeln Sie klare interne Prozesse zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten nicht autorisierter Zahlungen und schulen Sie Ihr Personal in der differenzierten Anwendung der Meldefristen. Überarbeiten Sie Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Kundeninformationen entsprechend der neuen Rechtsprechung. Implementieren Sie zudem Dokumentationsstandards, die eine präzise Nachverfolgung von Kundenmeldungen ermöglichen, und prüfen Sie bestehende Fälle auf mögliche Anpassungen der Rückerstattungspraxis.

Quelle / Eckdaten

👉 Link zum Dokument

Verfügbar über EUR-Lex (Rechtssache C-665/23)

Titel

Urteil des Gerichtshofs vom 1. August 2025 - IL gegen Veracash SAS

📅 Veröffentlichung

1. August 2025

Art des Dokuments

Urteil

Veröffentlicht von

Europäischer Gerichtshof

⚖️ Rechtsgrundlage

Artikel 48 der Richtlinie 2007/64/EG (PSD I)

Adressaten

Zahlungsdienstleister, nationale Gerichte

Status

Rechtskräftiges Urteil

📅 Datum Erstanwendung

Sofort anwendbar


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